-Ökonomisierung verhindert adäquate Gesundheitsversorgung-
von Jürgen Bause
Das Gesundheitswesen bietet
immer wieder Anlass für Diskussionen. Kliniksterben wird vorhergesagt,
Ärztemangel bedroht die Gesundheitsversorgung, fehlendes Pflegepersonal lässt
die Betreuung von Kranken zusammenbrechen. Positive Entwicklungen im deutschen
Gesundheitswesen werden medial kaum mehr erfasst. Sie passen nicht in den
Mainstream der Diskussionen über das Gesundheitssystem.
Bei dem ersten Illertissener
Gesundheitsgespräch 2013, veranstaltet von der Hochschule Neu-Ulm, kamen hochkarätige Akteure aus dem
Gesundheitswesen zusammen, um über „innovative Therapien- bezahlbar für alle?“
zu diskutieren. Dr. h.c. Herbert Rebscher von der Krankenkasse DAK-Gesundheit
stellte die Frage, ob die Patienten in den Genuss der Innovationen kommen. Aus
Sicht der Krankenkasse ist eine Kundenzufriedenheit gewollt, weiterhin eine
Qualität der Leistungen sowie eine Kosteneffizienz.
Prof. Dr. Herbert Rebscher, DAK
Die demografische Entwicklung bei der älteren Bevölkerung erfordert
ein neues Denken. Die DAK entwickelte für ihre Patienten die Koordination und
Organisation bei komplexen Krankheitsverläufen. Beispiel Apoplex: Um die
frühzeitige Organisation von ambulanten Leistungen nach dem Klinikaufenthalt
kümmern sich speziell ausgebildete Mitarbeiter der DAK. Beispielsweise um eine
frühzeitige Bereitstellung von Hilfsmitteln, der Vereinbarung von Behandlungsterminen
bei der Logopädie, Physiotherapie und der Ergotherapie. Wenn ein Patient aus
der Klinik entlassen wird kann rasch mit der amb. Therapie fortgefahren werden
Auch notwendige Hilfsmittel sind bereits in der Wohnung vorhanden, wenn der
Kranke nach Hause kommt. Derzeit ist es vielfach noch so, dass erst der
Hausarzt auf den Entlassungsbericht warten muss und dann die notwendigen Hilfsmittel
verschreibt. So vergehen zwei bis drei Wochen, die der Eingliederung des
Kranken im Wege stehen. Ziel ist es, dass eine effiziente Genesung des Kranken
gewährleistet wird.
Da die Demografie das Krankheitspanorama verändert, so
Rebscher, muss Seitens der Krankenkassen mehr auf die Erwartungen der älteren
und teils multimorbiden Patienten eingegangen werden. Das Versorgungsmanagement
muss bei allen Überlegungen im Vordergrund stehen, betont Rebscher.
Jürgen Geier, Leiter der gesundheitspolitischen Abteilung
des Arzneimittelherstellers Servier Deutschland GmbH befürchtet, dass in
Zukunft nur noch multinationale Konzerne den Pharmamarkt bestimmen werden und
Innovationen von den Kostenträgern nicht mehr bezahlt werden können. Bereits
heute, so Geiger, sind drei von vier verordneten Medikamente Generika und für
die Medikamentengrundstoffe werden die Preise von Herstellern aus Asien
diktiert. So explodieren die Kosten. Auch die Entwicklung neuer Medikamente
kostet Milliarden. Das kann nicht mehr bezahlt werden. Die Ökonomisierung im
Gesundheitsbereich sieht der Vertreter der pharmazeutischen Industrie als ein
Problem.
Der Patientenvertreter Wolf-Arnim Candidus von der Deutschen
Gesellschaft für Versicherte und Patienten hob hervor: „Wenn nicht radikal
etwas verändert wird, werden der Mittelstand der Pharmaindustrie und die
Entwicklung einbrechen“. Bereits heute bestimmt mehr die Ökonomie was im Gesundheitsbereich
geleistet wird. Die Ökonomie darf nicht bestimmen, was der Mediziner am Patienten
leisten dürfen, kritisiert Candidus. Die Bürokratisierung im Gesundheitsbereich
ist ein Hemmschuh für die Gesundheitsversorgung.
Wir sollten uns davor
hüten, das das Gesundheitswesen so verkommt wie der Energiemarkt.
Wolf-Arnim Candidus
Professor Dr. med. Franz Porzsolt, ehemaliger Leiter der
klinischen Ökonomik am Universitätsklinikum Ulm erklärte: “Innovation liegt
dann vor, wenn ein relevantes Gesundheitsproblem des Patienten gelöst wird“. Es
müssen sich die Beteiligten die Frage stellen, „wie vollständig und wie schnell
kann man die Probleme lösen“.